Die Diagnose im Original: Mein ärztlicher Befund

Diagnosen

– Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (F60.3)
– Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (33.1)
– Suizidversuch 1998 (Pulsschnitt) mit dreimonatigem stationärem Aufenthalt
– Binge-Eating-Störung (Verdachtsdiagnose), auch bei vorhandener Suchterfahrung (F50.9)
– Adipositas Grad III (E66.0)


Vordiagnosen

– Rezidivierende depressive Störung, schwere depressive Episode (F33.2G)
– Alkoholabhängigkeit (ICD-10: F10.2) mit Alkoholentzugssyndrom (F10.3)
– Stationärer Entzug und Motivationsbehandlung (VAMOS 20.–27.12.2024, KH Bad Cannstatt)


z. n. (Zustand nach)

– Hyperaktives Delir mit Eigengefährdung nach Alkoholentzug / Infekt / Harnverhalt / NSTEMI 10/2024
– Tiefe Beinvenenthrombose rechts (ED 10/2024) bei Immobilisation nach NSTEMI
– Koronare Eingefäßerkrankung mit z. n. NSTEMI 10/2024
– PTCA + DEBX RCX
– Schlaganfall außerhalb des Zeitfensters 10/2024
– Helicobacter-positive Duodenitis bei Typ-B-Gastritis (unklar, ob Eradikation erfolgt)


Anamnestisch

– Zöliakie (Zentrum für seelische Gesundheit, 03.01.2025: kein Hinweis auf Zöliakie, Lämblien oder Morbus Whipple)


Medikamente (Stand: 28.01.2025)

– Escitalopram 5 mg 1-0-0 (reduziert bei verlängerter QT-Zeit)
– Zopiclon 7,5 mg 0-0-1
– Clopidogrel 75 mg 1-0-0
– Bisoprolol 2,5 mg 1-0-0
– Candesartan 16 mg 1-0-0
– Empagliflozin 10 mg 1-0-0
– Rosuvastatin 20 mg 2-0-0
– Tamsulosin 0,4 mg 1-0-0
– Allopurinol 100 mg 1-0-0
– Pantoprazol 40 mg 1-0-0
– ASS 100 mg 1-0-0


Anlass der Vorstellung

Der Patient beginnt das Gespräch ohne einleitende Anamnese und schildert im Oktober 2024 einen Herzinfarkt und Schlaganfall erlitten zu haben. Eine Körperhälfte sei seither „schwach“, Gegenstände würden aus der linken Hand fallen. Weitere Beschwerden: tiefe Beinvenenthrombose, nächtliche Beinschmerzen, orthopädische Schmerzen.


Lebenshintergrund & Verlauf

Der Patient berichtet von eingeschränkter Rehafähigkeit nach Schlaganfall. Vor einem Jahr begann er eine Fleischer-Ausbildung, die er aus gesundheitlichen Gründen vermutlich abbrechen wird. Ehefrau verstarb vor ca. 4,5 Jahren an Lungenkarzinom. Erste depressive Symptome seit 1998. Seit 09/2021 in PIA-Anbindung, ambulante Verhaltenstherapie 2021/22, parallel systemische Therapie.

Grenzerfahrungen, Beziehungsdynamik, Selbstbeobachtung (Stichwort Borderline) wurden vom Patienten thematisiert. Hinweise auf hochsuizidale Zustände im August 2024. Lithium wurde abgelehnt, Escitalopram wird in reduzierter Dosis eingenommen. Gewichtszunahme seit Oktober 2024: 16 kg (1,69 m, 118 kg, BMI 41,3).


Psychischer Befund nach AMDP

– wach, bewusstseinsklar, voll orientiert
– offen im Kontakt, gleichzeitig Tendenz zur Verharmlosung
– ambivalente Grundstruktur (Hilfe vs. Abwehr)
– psychomotorisch angespannt
– Auffassung/Mnestik subjektiv gut, Konzentration reduziert
– Denken formal geordnet, inhaltlich realitätsnah
– keine psychotischen Symptome
– keine Angstsymptomatik
– Stimmung: überwiegend „gut“, aber schwankend
– Antrieb und Interesse reduziert
– Erschöpfung seit Apoplex verstärkt
– stark gesteigerter Appetit (z. B. 1 kg Fleisch + 1 kg Pommes + Salat)
– kein selbstverletzendes Verhalten
– keine PTSD-Symptome
– keine aktuelle Fremd- oder Eigengefährdung


Familienanamnese

– Spielsucht
– Zwillingsbrüder: Drogenabhängigkeit, Schizophrenie


Suchtmittel

– Alkoholmissbrauch in depressiven Phasen
– „Bewusster“ Konsum: 4–5 Tage je 1 Flasche Wodka
– Seit Beginn der psychiatrischen Behandlung abstinent
– Früherer Konsum: Ecstasy, LSD, Heroin (einmal), THC (regelmäßig), Kokain (selten)


Biografie & Lebenssituation

– Geboren in Deutschland, Eltern aus Siebenbürgen
– schwierige Kindheit, Gewalt durch Mutter
– kein Kontakt zur Mutter (Stand 2025)
– Selbstständigkeit im Innenausbau seit 2006
– Privatinsolvenz durchlaufen („alles geregelt“)
– Lebensplanung mit Ehefrau: Auswanderungsidee nach Polen
– Kochausbildung wegen Zöliakie abgebrochen
– Wunsch, Metzger zu werden (wie der Vater), blieb unerfüllt
– Wunsch nach Neubeginn nach Tod der Frau


Testpsychologische Diagnostik

PHQ-D: Hinweise auf depressive Episode, Binge-Eating-Störung
SCID-5-PD: Kriterien erfüllt für zwanghafte, Borderline- und antisoziale Persönlichkeitsstörung
IPDE: Borderline-Persönlichkeitsstörung bestätigt, narzisstische Akzentuierung erkannt (vom Patienten selbst benannt)


Zusammenfassung & Empfehlung

– Diagnosen wurden transparent besprochen
– Patient erkennt sich darin wieder

Empfehlungen:

– suchtmedizinische Anbindung (PIA)
– hausärztliche Anbindung bei Erschöpfungssymptomen
– Durchführung der Reha
– langfristige ambulante Psychotherapie
– Einzelbehandlung mit passendem therapeutischem Setting
– stationäre Optionen bei Rückfall oder Suizidalität

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